Dumenic Andry

Dumenic Andry wurde 1960 in Zürich geboren und ist in Ramosch aufgewachsen, heute lebt er in Zuoz. Er studierte in Zürich Romanistik und schreibt Prosa und Lyrik auf Vallader. 2009 wurde er für Uondas (Kurzprosa) mit dem Schillerpreis ausgezeichnet. Er schreibt regelmässig Beiträge für die Sendung Impuls von Radio Rumantsch (rtr) und Kolumnen für La Quotidiana. In den Jahren 2014-2020 war er Ko-Redaktor der «Annalas da la Societad Retorumantscha». 2018 erhielt er den Schweizer Literaturpreis für seinen Gedichtband Sablun, welcher inzwischen auf Deutsch, Rumänisch, Italienisch und Französisch übersetzt wurde.

Nun aber zu den zehn Fragen an ihn:

Welche drei Tätigkeiten zeichnen Sie aus?
Idealisieren:Ich neige zum Idealisieren und zur Realitätsflucht. Ideal ist das Gegenteil von wirklich, aber auch und von lebendig. Schade!
Eu n’ha la tendenza da fügir da la realtà. Ideal es l’incuntrari da real, ma eir da viv. Puchà!
Schreiben:Die einen schreiben, um nicht zu vergessen. Andere schreiben, um vergessen zu können. Zu schreiben vergessen, vor lauter Leben?  Das wäre schön, von Zeit zu Zeit.
Ils üns scrivan, per na invlidar. Oters ston scriver, per pudair invlidar.Invlidar da scriver, da spüra vita! Quai füss bê, da temp in temp.
Reisen:Reisen ist für mich überlebenswichtig. Und das Kofferpacken und die Grenzformalitäten überlebt man wohl auch.
Viagiar es per mai d’importanza vitala. E far las valische e las formalitats al cunfin as surviva bain eir.

Tag oder Nacht?
Nachts träumt man anders. In der Nacht sieht man manchmal klarer und findet Worte, die man tagsüber vergebens sucht. In der Nacht kommt man aber auch eher ins Grübeln.
Da not esa ün oter sömgiar. Da not as vezza minchatant plü cler e’s chatta pleds chi’s tschercha da di. Da not as faja però eir plü facil chalenders.

Ihr Lieblingstier?
Wenn ich schon wählen muss, wähle ich die Katze, mit der ich mich verwandt fühle. Was sie wohl auf die Frage antworten würde, wenn man sie nach ihrem Lieblingstier fragen würde? Von den Katzen sagt man, sie fielen immer auf die Füsse. Und auch, dass sie sieben Leben hätten. Das dürfte wohl reichen. Katzen lieben die Freiheit und nehmen sie sich. Katzen kann man nicht dressieren. Katzen muss man überzeugen. Nur wie?
Oramai chi’d es da tscherner, piglia il giat. Cun quel am saint ün pa paraint in seis esser. Che dschess il giat, schi’s dumandess, chenüna chi saja sia bes-cha prediletta? I's disch dal giat ch'el crouda adüna süls peis. E cha giats hajan set vitas. Quai vess da bastar. Giats aman e’s piglian la libertà. Giats nu's laschan dressar, giats esa da persvader. Ma co?

In welcher Sprache träumen Sie?
Ich träume auf Romanisch. Ich träume eher von anderen als in anderen Sprachen. In meinen Träumen spreche ich sie fliessend.  Ich träume ohne weiteres auch ohne Worte.
Eu sömg per rumantsch. Eu insömg plüchöntsch dad otras linguas co in otras linguas. In meis sömmis tillas discuorra fluidamaing. Eu sömg sainz’oter eir sainza pleds.

Was schenken Sie gerne?
Ein Buch, ein Gedicht, eine Geschichte, eine Zeichnung, einen Blick, ein Lächeln, ein Ohr (bitte zurück), Zeit, einen Gedanken, Beachtung, Aufmerksamkeit. Und ab und zu auch Orchideen.
Ün cudesch, poesias ed istorgias, ün disegn, ün’ögliada , ün surrier, ün'uraglia (ad impraist), temp, ün impissamaint, attenziun. E da las jadas eir orchideas.

Wenn Sie ein Lebensmittel wären: Welches wären Sie?
Wohl besser keine Kartoffel. Ich möchte es nicht riskieren, zu Pommes Frites verarbeitet zu werden. Brot sein zu wollen wäre vermessen, blasphemisch gar. Dann lieber eine Frucht: eine Wassermelone, für den Durst oder eine saftige süssaure Orange.
Plü jent na ün mailinter. Eu nu less ris-char da gnir taglià in pomfrits.  Lair esser pan es presumtuus, o dafatta  blasfemic. Lura plü jent ün früt: ün melun pella said o ün'orandscha züjusa  dutscha ascha.

Eine Eigenschaft, die Sie nicht ausstehen können?
Lügenhaftigkeit ausserhalb dem Kontext literarischer Fiktion.
Invardaivlezza dadour il context da ficziun litterara.

Welches Lied haben sie sich zuletzt angehört?
Felix Mendelssohn, Lieder ohne Worte (Nr. 1) Andante con moto E-Dur Op.19 No. 1. Angesichts der Absurdität des Krieges in der Ukraine fehlen auch mir die Worte.
In vista a l'absurdità da la guerra in Ucraïna am mancan ils pleds.

Wenn Sie eine Sache auf der Welt verändern dürften: Was wäre das?
Ich würde mir eine gerechtere Verteilung der Güter der Erde zwischen den Menschen aller Erdteile wünschen. Es würde für alle reichen.
Eu am giavüschess ün scumpart plü güst dals bains tanter ils umans da quista terra. I füss nempe avuonda per tuots.

Welches Buch müssen wir aktuell lesen?
Pedro Lenz, Primitivo. Ein menschlich sehr berührender Roman über eine Männerfreundschaft und eine gemeinsame Liebe zur Poesie. Pedro Lenz ist ein grosser Erzähler. In das Berndeutsche rudert man sich hinein.
Jachen Luzzi, mi'orma sa svolar. Il plü jent n'haja las poesias per uffants chi fan part da mia infanzia ramoschana. Eu admir seis orizont poetic e seis sguard chi surpassa cunfins da linguas.

Primitivo

Pedro Lenz

Pedro Lenz

Primitivo

184 Seiten, gebunden
Schweizerdeutsch
Cosmos
CHF 31.-
ISBN 978-3-305-00472-0

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mi'orma sa svolar

Jachen Luzzi

Jachen Luzzi

mi'orma sa svolar

100 Seiten, Broschur
3 s/w Fotografien
reediziun chürada da Mevina Puorger e Jachen Andry
editionmevinapuorger
CHF 29.–
ISBN 978-3-9525233-6-0

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